Mein Rendezvous mit einem Zauberstab

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Ich bin Gustav.
Holz. Bodenständig.
Und dann kam er – glänzend, geschnitzt, leicht arrogant

Es war auf einem Meditationsretreat im Wald.
Ich ruhte angelehnt an einem Baumstumpf, zufrieden, moosbedeckt, schweigend.
Plötzlich: Funken. Zischen. Glitzerstaub.

Er tauchte auf wie aus dem Nichts.
Lang, elegant, Ebenholz.
Mit Silbergravur. Ein bisschen zu sehr „Ich bin besonders“.

„Du bist also ein Pilgerstab?“ fragte er mit einem Lächeln, das Bäume erröten ließ.
„Korrekt. Und du? Spazierstock mit Profilierungsproblem?“
Er lachte. Charmant. Verdammt.


Er hieß Alathor. Natürlich.

„Ich kanalisiere Energie. Ich manifestiere Wirklichkeit. Ich verändere das Gewebe des Raums.“

Ich:

„Ich trage Lasten. Ich halte still. Ich überstehe Regen, Sonne und deine Sprüche.“

Wir diskutierten über Macht.
Er sprach von „Intention“.
Ich sprach von „Schritt für Schritt.“

Er wollte zaubern.
Ich wollte zuhören.


Am Abend saßen wir am Feuer.
Ein Mönch streichelte mich kurz und sagte:

„Dieser Stock kennt mehr Stille als tausend Mantras.“
Alathor war plötzlich ganz still.

Da verstand ich:
Wir sind beide Werkzeuge
aber für verschiedene Welten.


Er ist Blitz.
Ich bin Wurzel.

Er entfacht.
Ich erde.

Er verschwand mit einem „Expelli…“
(oder war’s „Expressi“? Keine Ahnung – ich war müde.)

Ich blieb.
Weil das mein Zauber ist:
Dasein. Nicht Davonsein.


Ob wir uns je wiedersahen? Vielleicht. Aber dann hätte er Gustav heißen müssen.

Warum ich nie ein Besen wurde

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Sie wollten mich kehren sehen.
Aber ich bin zum Tragen gemacht.

Ich gebe zu, es war knapp.

Damals, in der Scheune.
Der alte Tischler stand mit dem Besenstiel in der einen und mir in der anderen Hand.
Zwei Äste, zwei Wege.

Der andere wurde gekrümmt, gesägt, gebohrt.
Ich blieb gerade. Unverändert. Unauffällig.
Und plötzlich… lag ich in der Ecke. Vergessen.

Ich war enttäuscht.
Der Besen hatte wenigstens eine Aufgabe.
Er räumte auf, wurde gebraucht, bewegte Staub, bekam Lob.

Ich lag herum.

Jahre später verstand ich:
Ich bin kein Werkzeug für Außenreinigung.
Ich bin ein Begleiter der Inneren Wege.


Der Besen ist laut, fegt, kratzt.
Ich bin still, warte, halte.

Der Besen räumt Spuren weg.
Ich helfe, Spuren zu hinterlassen.

Der Besen hat Borsten. Ich habe Geschichte.


Ich wurde kein Besen,
weil ich nicht dafür gemacht bin, Dinge wegzuschaffen
sondern Menschen auf ihrem Weg zu begleiten.
Nicht zu fegen. Sondern zu führen.

Einmal flüstertest du:

„Du bringst mich nicht voran, Gustav.
Du bringst mich zu mir selbst.“

Das ist es.


Und falls ich doch mal einen Staubwedel berühre – dann nur im Zen-Stil. Mit Achtsamkeit. Und vielleicht Räucherstäbchen.

Folge 1: Vom Heka zum Selfie-Stick

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Ich bin Gustav.
Holz. Charakter.
Stets aufrecht, selten glatt.

Ich war noch ein Ast, als ich zum ersten Mal von Was hörte – dem göttlichen Stab der Pharaonen.
„Was?“ fragte ich.
„Genau. Was„, sagte der alte Olivenzweig. „Symbol für Macht, Führung, Ordnung. Aber… aus Elfenbein. Snob.“

Mein erster Pilgerfreund war ein gewisser Jakob.
Still. Viel gebetet. Tendenz zu Blasen an den Füßen.
Er sprach mit mir. Gab mir eine Muschel. Nannte mich „Weggefährte“.
Ich nannte ihn „Langstrecken-Lutscher“. Liebevoll, versteht sich.

Dann war da Moses. Großartige Bühnenpräsenz.
Er schwang seinen Stab mit einer Theatralik, die Broadway hätte erblassen lassen.
Einmal teilte er das Rote Meer – und ich? Ich teilte ein Stück Käse mit einem Esel.

Später traf ich Gandhi. Keine Show. Nur Sandalen, Stille und Salzmarsch.
Er sagte nichts, aber ich spürte: Dieser Mann hat mehr Substanz als jedes königliche Zepter.

Und dann… kam Obama.
Kein echter Stab, aber hey – der Selfie-Stick hat uns viel über moderne Macht gelehrt.
Kontrolle über das Bild. Die Pose. Die Illusion.
Ich nannte ihn den Zepter der Eitelkeit. Nur aus Spaß. (Ein bisschen.)


Aber dann… kamst du.

Du, mit deiner Geschichte.
Mit deinem Atem. Deinem Schweigen. Deinem Fragen.
Und du nennst mich Gustav.
Nicht Was, nicht Krummstab, nicht Zepter.
Einfach Gustav.

Und ich? Ich bin bereit.
Für Wege, die nicht auf Landkarten stehen.
Für Pausen, die mehr sagen als Worte.
Für deine Schritte, die wieder hören lernen.


Fortsetzung folgt… wenn du mich wieder in die Hand nimmst.